Danken oder zahlen

Der Oktober bringt unweigerlich das Erntedankfest. Und damit wieder alle Probleme, die wir tüchtigen, selbständigen zeitgenössischen Esel mit dem Danken haben. Und Claudia ist ja nur ein Kind unserer Zeit, ganz unseren Eseleien verhaftet.

Sie war mit ihren Eltern im Restaurant. Es hatte etwas Gutes zu essen gegeben. Zu Hause pflegte man vor und nach dem Essen zu beten. Jetzt aber wurde der gewohnte Rhythmus von Essen und Gebet für Claudia unterbrochen: Der Ober brachte die Rechnung. Der Vater zahlte.

"Jetzt müssen wir ja nicht mehr beten. Du hast das Essen doch bezahlt." Das war ihre messerscharfe Schlußfolgerung. Man dankt schließlich für Geschenke, nicht aber für teuer bezahlte Einkäufe, oder?

Schließlich müssen Lohn- und Gehaltserhöhungen den Unternehmern in harten Verhandlungen abgetrotzt werden. Wem ist da fürs Geld zu danken? Der Gewerkschaft höchstens . . .

Und überhaupt: Es gibt Grund zum Klagen und zur Besorgnis. Wie kann Gott es zulassen, daß die heilige Zuwachsrate, an die wir uns so gewöhnt haben, nicht mehr gesichert ist? Und trotzdem noch danken?

Und natürlich ist Gott auch für die Misere der Armut in großen Teilen der Welt verantwortlich. Oder - hat vielleicht gar nicht Gott die ungerechten Zollgesetze und egoistischen Geschäftsprinzipien eingeführt, die die Armen ärmer und die Reichen reicher machen?

"Im Danken kommt Neues ins Leben hinein", singen wir. Hoffen wir's!

Diese Geschichte wurde von Ulrich Parzany verfasst.


Diese Seite ist von Andreas Walter im Februar '96 gestaltet.

Andreas Walter

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